Eigentlich hatte ich gedacht, dass sich die Betreiber von Videoüberwachungsanlagen bewusst sind, dass an den Einsatz eben dieser hohe rechtliche Anforderungen gestellt werden und das vielen die Orientierungshilfe Videoüberwachung oder zumindest deren Grundsätze bekannt sein sollte. Dass dem eben nicht immer so ist, zeigt allein die Anzahl der Artikel, die wir auf unserem Blog dazu geschrieben haben. Heute habe ich mir ein paar Highlights der Videoüberwachung herausgepikt. Viel Spaß beim Lesen – schmunzeln erlaubt.
Die Argusaugen des Professors
Ein Professor hat seine Studierenden während einer schriftlichen Prüfung quasi per „Livestream“ überwacht. Dazu hatte er die Kameraanlage des Hörsaals, die eigentlich dazu da ist über einen Beamer allen Teilnehmern der Vorlesungen Demonstrationen oder ähnliches auf einer Leinwand zugänglich zu machen, so umfunktioniert, dass die Studierenden, vor allem die in den hinteren Reihen, von den Kameras erfasst wurden und die Übertragungsbilder dem Professor in Echtzeit auf seinem am Rednerpult befindlichen Laptop übertragen wurden.
Natürlich ist eine solche Videoüberwachung unzulässig. Weder das Landeshochschulgesetz, noch das entsprechende Landesdatenschutzgesetz erlauben eine solche Überwachung. (Quelle: 11. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Mecklenburg-Vorpommern, S. 56ff.). Professoren und andere Hochschulmitarbeiter, die Prüfungen beaufsichtigen, sollten sich daher auf die altbewährten „Überwachungsmethoden“ wie etwas das Durchschreiten der Reihen verlassen.
Videoüberwachung im großen Stil
Ein Bäckereiunternehmen mit vielen Filialen betrieb ein Videoüberwachungssystem, durch das von der Zentrale aus eine Überwachung von über 90 Bäckereifilialen des Unternehmens stattfand. Im Live-Modus konnten von der Zentrale aus Sitzbereiche für Kunden sowie auch ein Großteil der Arbeitsplätze eingesehen werden. Dabei konnten die einzelnen Filialen direkt ausgewählt werden.
Auch diese Videoüberwachung ist natürlich unzulässig. (Quelle: 11. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Mecklenburg-Vorpommern, S. 56ff.).
Hoch hinaus
…wollte eine Baufirma, die den Bau eines Hochhauses durch zwei an Baukränen angebrachten Videokameras während der Gesamten Arbeitszeit überwachte. Durch die Kameras war immer das oberste Stockwerk einsehbar. Die vorgetragen Gründe den reibungslosen Bauablauf zu kontrollieren und den Einsatz von größeren Geräten zu überwachen sowie der Verminderung von Diebstahl und die Vermeidung von Havarien und die Erhöhung der Arbeitssicherheit hätten auch durch andere, mildere Maßnahmen erreicht werden können. Hierzu liegt bereits eine höchstrichterliche Rechtsprechung vor. Eine lückenlose Videoüberwachung von Arbeitnehmern während der gesamten Arbeitszeit ist nach ständiger Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit unzulässig (Quelle: 11. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Mecklenburg-Vorpommern, S. 56ff.).
Prekärer Sanitätsbereich
Der Betreiber einer nur für Männer zugänglichen Sauna überwachte den Duschbereich durch Videoanlagen. Argumente: Kontrolle, ob die Türen zur Sauna/ zum Dampfbad geschlossen sind; Kontrolle, ob die Duschen nach der Benutzung wieder abgestellt werden; schnelle erste Hilfe, bei Übelkeit und Stürzen. Zwar wurde durch Piktogramme auf die Videoüberwachung aufmerksam gemacht, aber dadurch wird sie natürlich nicht zulässig. Im Sanitärbereich überwiegen die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen fast ausnahmslos (Quelle: 22. Tätigkeitsbericht der Hessischen Datenschutzaufsichtsbehörde S. 37f).
St. Ivo
29. Januar 2016 @ 17:15
Vielen Dank. Über die Überzeugungskraft dieses Arguments kann man aber sehr streiten – es ist nun einmal die Eigenheit der Prüfungssituation, dass die Kandidaten genau so lange kontrolliert werden müssen, wie die Prüfung eben dauert, und ebenso, dass die Kandidaten keinen Anspruch darauf haben, mal eine Weile unkontrolliert machen zu können, wonach ihnen der Sinn steht. Der Gang durch die Reihen ist insofern auch keine gleichwertige Alternative, weil das Beobachtungsfeld viel geringer ist.
St. Ivo
29. Januar 2016 @ 0:11
Vielen Dank. Ein Argument, warum es sich hier nicht um eine nach § 34 Abs. 1 S. 1 LDSG RLP (zur Aufgabenerfüllung gehört doch auch die Kontrolle der Prüfungsteilnehmer) zulässige Videobeobachtung handelt, suche ich in der „Orientierungshilfe“ des Datenschutzbeauftragten aber vergebens.
Daniela Windelband
29. Januar 2016 @ 10:02
Hallo, St. Ivo,
im Rahmen der Interessenabwägung wird man zu dem Ergebnis kommen, dass die permanente, über mehrere Stunden andauernde Beobachtung der Prüflinge eine zu gravierende Persönlichkeitsbeeinträchtigung bedeutet, der sich der Prüfling nicht entziehen kann. Zudem stehen der Aufsichtsperson auch Alternativen zur Verfügung, beispielsweise der bereits angesprochene Gang durch die Reihen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Blogredaktion
St. Ivo
27. Januar 2016 @ 10:58
Könnten Sie mir mit der Bestimmung des Datenschutzrechts weiterhelfen, die den Einsatz von Videoüberwachung hier auch dann regelementiert, wenn eine Speicherung nicht erfolgt? Prüfungsrecht ist hier sicher auch eine Baustelle, aber eben eine andere.
Daniela Windelband
27. Januar 2016 @ 12:01
Hallo St. Ivo,
bei staatlichen Hochschulen greifen die jeweiligen Landesdatenschutzgesetze. Exemplarisch können Sie das Landesdatenschutzgesetz Rheinland-Pfalz (http://landesrecht.rlp.de/jportal/?quelle=jlink&query=DSG+RP&psml=bsrlpprod.psml) und die Orientierungshilfe für die Videoüberwachung in und an staatlichen Hochschulen des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz (https://www.datenschutz.rlp.de/de/service.php?submenu=mat&ber=oh&typ=oh_vue_hochschule) betrachten.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Blogredaktion
St. Ivo
23. Januar 2016 @ 13:04
@ Die Argusaugen des Professors: Warum ist das – unterstellt, die Videoaufnahmen werden nur auf dem Monitor dargestellt und nicht gespeichert – überhaupt datenschutzrechtlich problematischer als eine Person, die im Prüfungssaal herumspaziert und den Prüflingen über die Schulter schaut? Eine explizite gesetzliche Ermächtigung gibt es für Letzteres auch nicht.
Daniela Windelband
25. Januar 2016 @ 8:15
Hallo St Ivo,
vielen Dank für deinen Beitrag.
Wie die Aufsicht während einer Prüfung umgesetzt wird, obliegt der jeweiligen Universität bzw. des jeweiligen Fachbereiches. Je nachdem, wie diese im konkreten Fall umgesetzt wird, kann der Anwendungsbereich verschiedener Gesetze eröffnet werden.
Wird auf den Einsatz von Videoüberwachungstechnik zurückgegriffen, sind die Bestimmungen des Datenschutzrechtes zu beachten. Diese definieren zum Teil sehr umfassend, unter welchen Voraussetzungen diese eingesetzt werden dürfen. Sind diese nicht gegeben, ist der Einsatz unzulässig.
Der Einsatz von Videoüberwachung kann auch nicht mit dem Umhergehen und „über die Schultern schauen“ verglichen werden. Während bei Letzterem die Beobachtung des Prüflings nur kurzzeitig erfolgt und von diesem wahrgenommen wird, ist dies bei Ersterem nicht der Fall. Der Prüfer kann sich, für den Prüfling unbemerkt, auf eine Person konzentrieren und diese während der gesamten Prüfung (die schriftlichen Examensprüfungen im juristischen Staatsexamen dauern 300 Minuten) beobachten.