Jede Berufsbranche hat ihr Heiligtum. Bei Büroarbeitsplätzen dürfte der heilige Gral die Form einer individuellen oder sogar personalisierten Kaffeetasse angenommen haben. Findet sich diese nicht mehr am angestammten Platz auf dem Schreibtisch und bleibt schlimmstenfalls ganz verschwunden, ist schnell die Büchse der Pandora geöffnet und lässt die Neuronen des ehemaligen Kaffeetassenbesitzers – der Geschädigte ist männlich – auf höchstem Niveau arbeiten. Es gilt dann, zukünftigen Verlusten dieser Art zu begegnen bzw. diese zu verhindern.

Versierten Datenschutzrechtlerinnen und Datenschutzrechtlern drängt sich schnell die Möglichkeit einer Videoüberwachung auf, scheint diese doch die ultimative Waffe zur Vermeidung oder Aufklärung von Straftaten zu sein.

Heimliche Videoüberwachung durch den Arbeitnehmer

Die vermeintlich einfachste Lösung ist, dass der kaffeetassenlose Arbeitnehmer eigeninitiativ das ihm vom Arbeitgeber überlassene Büro mit Videoüberwachungstechnik ausstattet und aus Gründen der Effektivität weder Kolleginnen und Kollegen noch den Arbeitgeber hierüber in Kenntnis setzt.

In diesem Fall entsteht die Frage, ob in dieser Konstellation das Datenschutzrecht, speziell die DSGVO, Anwendung findet. Nach Artikel 2 Abs. 2 lit. c DSGVO ist die Datenschutz-Grundverordnung nicht anwendbar, bei der „Verarbeitung personenbezogener Daten durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten“. Die Prävention und Repression von Straftaten – bspw. im Zusammenhang mit Kaffeetassen – kann durchaus als persönliche Tätigkeit verstanden werden.

Einer solchen Auslegung hat jedoch der europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 11.12.2014 – C-212/13 eine klare Absage erteilt: Unterstellt, das eigene Büro ist zumindest in Teilen der Privatsphäre des jeweiligen Nutzers zuzuordnen, wobei allein eine solche Argumentation eine Vielzahl von juristischen Winkelzügen erfordert, so kann eine ausschließliche persönliche oder familiäre Tätigkeit jedenfalls dann nicht angenommen werden, wenn sich eine Videoüberwachung auch nur teilweise auf den öffentlichen Raum erstreckt und das wird man bei einem dienstlich bereitgestellten Büro bedenkenlos annehmen können. Folglich wird dadurch auch ein Bereich außerhalb der privaten Sphäre erfasst.

Im Ergebnis muss der Einsatz der Videoüberwachung an den Vorgaben der DSGVO bewertet werden. Neben dem schmerzlichen Verlust seiner geliebten Kaffeetasse muss sich der Arbeitnehmer also auch mit Themen wie einer Datenschutz-Folgenabschätzung und den Informationspflichten nach Artikel 13 DSGVO beschäftigen und rutscht gleichzeitig in die Rolle des datenschutzrechtlich Verantwortlichen.

Zudem bedarf es für die Videoüberwachung einer Rechtsgrundlage. Als solche kommt § 26 Absatz 1 Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz nicht in Betracht. Dort heißt es: „Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten nur dann verarbeitet werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass die betroffene Person im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Verarbeitung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse der oder des Beschäftigten an dem Ausschluss der Verarbeitung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.“ Zwar wurde das Eigentumsdelikt an der Kaffeetasse möglicherweise durch einen Mitarbeitenden während des Beschäftigungsverhältnisses begangen. Die Norm regelt jedoch ausschließlich die Befugnisse des Arbeitgebers und nicht die anderer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Es muss daher auf die Regelungen des Artikels 6 Absatz 1 Satz 1 lit. f DSGVO zurückgegriffen werden. Im Rahmen einer Interessenabwägung sind hierbei die gegenseitigen Interessen gegeneinander abzuwägen. Auch wenn hierbei den Interessen des Geschädigten, ob der vielen schönen Erinnerungen, die dieser mit der verlustig gegangenen Kaffeetasse erlebt hat, ein besonderes, wenn auch lediglich emotionales, Gewicht zuzugestehen ist, so werden die Interessen der Kolleginnen und Kollegen, beim Betreten des Büros nicht von einer Videokamera erfasst zu werden, überwiegen. Dabei spielt es keine Rolle, warum diese das Büro aufsuchen. Selbst die verbreitete Annahme, dass Täter bzw. Täterinnen immer wieder an den Tatort zurückkehren, rechtfertigt keine andere Bewertung.

Insofern wird der Geschädigte weiterhin mit dem Verlust leben müssen und hoffen, dass sich seine geliebte Tasse eines Tages aus den Klauen der Spülmaschine befreien kann oder in einem Schrank der Büroküche wiedergeboren wird.