Für manchen sind sie ein Symbol der Mobilitätswende, kleine wendige E-Fahrzeuge, jederzeit und (zumindest im städtischen Raum) überall verfügbar und mit wenig Aufwand und vertretbaren Kosten nutzbar. Die Rede ist von den vielerorts parkenden E-Scootern diverser Anbieter. Dass bei der hiermit einhergehenden Datenverarbeitung im Rahmen der Nutzung aber auch datenschutzrechtliche Probleme auftauchen, war bereits vor einigen Jahren klar. So äußerte sich beispielsweise der damalige Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit kritisch zu den E-Scootern.
Wo bislang aber, beispielsweise aus der Hansestadt Hamburg, Kritik an einer zu umfangreichen Datenverarbeitung zu hören war, bemängelte das AG Stuttgart (Az. 20 OWi 1497/23 v. 03.06.2023) nun eine zu geringe Datenerhebung der E-Scooter-Vermieter.
Was war geschehen?
Die Klägerin ist ein Vermietungsunternehmen für E-Scooter. Deren Geschäftsmodell sieht eine flexible Ausleihe und Rückgabe (ohne festen Rückgabeort auf öffentlichen Flächen) der elektronischen Fahrzeuge vor. Hierfür müssen die Mieter*innen lediglich einen Namen, eine E-Mail-Adresse und eine Telefonnummer (vermutlich neben weiteren Zahlungsdaten) angeben.
Nachdem nun ein ausgeliehener E-Scooter durch das städtische Ordnungsamt in einem markierten Halteverbot vorgefunden wurde, wandte sich die Stadt Stuttgart an die als Halterin ermittelte Vermieterin des E-Fahrzeugs. Im Rahmen des eröffneten Ordnungswidrigkeitsverfahrens forderte die Stadt die Nennung des konkreten Nutzenden, der dieses Gerät dort abgestellt hat, woraufhin die Vermieterin angab, lediglich Namen, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der betroffenen Person mitteilen zu können. Weitere Daten lägen ihr nicht vor und folglich könne sie den/die Fahrer*in auch nicht weiter ermitteln.
Nachdem die Stadt Stuttgart den/die Fahrer*in des E-Scooters ebenfalls nicht näher identifizieren konnte, wurde das Ordnungswidrigkeitsverfahren eingestellt, der Vermieterin jedoch die Verfahrenskosten nebst Auslagen i. H. v. 23,50 Euro auferlegt.
Das AG Stuttgart wies die Klage der Vermieterin ab
Ein Verstoß gegen das Halteverbot hat nach dem Beschluss des Gerichts unstreitig vorgelegen. Und obwohl die Klägerin vorgetragen hat, eine Abfrage der Telekommunikationsdaten durch die Bußgeldbehörde sei zur weiteren Ermittlung der betroffenen Person (Fahrer*in) möglich gewesen, hat das Gericht festgestellt, dass die Ermittlung des/der Fahrzeugführenden im vorliegenden Fall einen unangemessenen Aufwand erfordert hätte. Vor diesem Hintergrund sei eine Belastung der Fahrzeughalterin nicht unbillig.
Ermittlung des/der Fahrzeugführenden im vorliegenden Fall unverhältnismäßig
Der Ermittlungsbehörde sei lediglich ein Name, eine Handynummer und eine E-Mail-Adresse der Mietpartei mitgeteilt worden, nicht hingegen ausreichende Personalien, eine Wohnanschrift o.ä. um den/die Fahrer*in identifizieren zu können. Die Ermittlung der betroffenen Person sei somit nur gezielt durch eine Bestandsdatenauskunft bei den jeweiligen Telekommunikations-Dienstanbietern möglich. Die damit verbundenen einzelnen Handlungsschritte (z.B. namentliche Anfragen bei internationalen Anbietern von E-Mail-Postfächern, Anfragen im Wege der internationalen Rechtshilfe, weitere nachfolgende Überprüfungen) seien bei dem „hier in Frage stehenden Bagatellverstoß […]“ unverhältnismäßig und unangemessen.
Übertragung der Verfahrenskosten auf Klägerin rechtmäßig
Die Klägerin würde mit dem Unternehmenskonzept der gewinnbringenden Vermietung von Elektrokleinstfahrzeugen, der reduzierten Erhebung von Nutzerdaten und der letztlich somit erschwerten Identifizierung von Fahrer*innen „gewerbsmäßig das Risiko von nicht zuzuordnenden und sanktionierbaren Verkehrsverstößen im öffentlichen Straßenverkehr“ zulassen. Weitere Nutzerdaten würden die Ermittlungen im Rahmen von Ordnungswidrigkeitsverfahren wesentlich oder entscheidend erleichtern – genau diese wurden von der Klägerin aber gerade nicht erhoben. Das Gericht erklärt, dass sich die Betroffene damit in vorwerfbarer Weise ihrer Verpflichtung als Halterin entziehe, im zumutbaren Maß zur Aufklärung [des Sachverhalts] beizutragen.
Zur Datenerhebung stellte das Gericht letztlich klar:
„Zwar sind Unternehmen gem. Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO zum Grundsatz der Datenminimierung bzw. Datensparsamkeit verpflichtet, personenbezogene Daten dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt zu erheben und weiter zu verarbeiten. Bei den personenbezogenen Daten zu einer zustellungsfähigen Anschrift und weiteren Identität des Nutzers handelt es sich jedoch um solche Daten, die gerade zur Geltendmachung von Schäden bei Vertragsverletzungen im eigenen berechtigten Interesse der Betroffenen liegen (vgl. Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO) und diese zudem in die Lage versetzen, gerade sich von ihrer Haftung etwa nach § 25a StVG zu entlasten und ihre gesetzlichen Auskunftspflichten im Sinn von Art. 6 Abs. 1 lit. c), Abs. 3 S. 1 lit. b) DSGVO zu erfüllen.“
Fazit
Der Beschluss ist begrüßenswert, auch wenn fraglich bleibt, wie viel Einfluss er auf die Geschäftsmodelle der Vermietungsunternehmen haben wird. Letztlich wäre eine Datenerhebung, die eine Identifizierung der Fahrer*innen ermöglicht, durchaus umsetzbar – die Daten könnten z.B. im Rahmen der Registrierung einmalig erhoben werden (wobei natürlich auch ein Verifizierungsprozess erforderlich wäre). Dies ließe sich auf eine Rechtsgrundlage stützen und dürfte angesichts der Gefahren und etwaigen Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung durch die E-Scooter auch verhältnismäßig sein. Gleichzeitig könnte diese Identifizierungsmöglichkeit auch zu einem achtsameren Umgang mit den E-Scootern und einem rücksichtsvolleren Verhalten im ruhenden und fließenden Verkehr führen und somit auch die Akzeptanz für die Mobilitätswende steigern.