Beweise aus einer datenschutzrechtlich unzulässigen Videoüberwachung können in einem Kündigungsschutzverfahren durch Gericht (doch) berücksichtigt werden.

BAG: Return To Sender

Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer Revision (Urteil vom 29.06.2023, Az. 2 AZR 296/22) entschieden. Die Informationen zum Verfahren liegen bisher nur als Pressemitteilung vor. Sie bezieht sich auf das vorinstanzliche Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Niedersachsen vom 06.07.2022 mit dem Az. 8 Sa 1149/20, in dem es um Schummeln bei der Arbeitszeiterfassung von einem Mitarbeiter einer Gießerei ging. Da noch andere Mitarbeiter daran beteiligt waren und geklagt hatten, hatte das LAG Niedersachsen in weiteren Kündigungsschutzverfahren am gleichen Tag Parallelentscheidungen (Az. 8 Sa 1148/20, Az. 8 Sa 1149/20 und Az. 8 Sa 1150/20) gefällt. Das BAG hat in den ähnlich gelagerten Verfahren die Revision mit derselben Begründung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Über das Urteil vom 06.07.2022 mit dem Az. 8 Sa 1150/20 haben wir berichtet.

Informationen aus der Pressemitteilung des BAG:

Dem Beschäftigten in einer Gießerei wurde vorgeworfen, Arbeitszeitbetrug begangen zu haben. Der Arbeitgeber kündigte dem Mitarbeiter. Dieser ging wiederum im Kündigungsschutzverfahren gegen die Kündigung vor. Der Arbeitgeber versuchte den Arbeitszeitbetrug durch Videoaufnahmen zu beweisen. Die Vorinstanzen hatten der Klage stattgegeben.

Das BAG verlangt nun von der Vorinstanz eine Neubewertung des Falls. Dabei gab es der Vorinstanz mit auf den Weg, dass es keine Rolle spiele, ob die Überwachung in jeder Hinsicht den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes bzw. der DSGVO entsprach. Das BAG kommt hier zu einem anderen Ergebnis der Abwägung der Interessen der Prozessparteien als die Vorinstanz.

Vorinstanz: Gravierender Verstoß gegen Grundrechte

Das LAG Niedersachsen (Az. 8 Sa 1149/20) bewertete die Videoüberwachung zum Zwecke der Überprüfung eines Arbeitszeitbetrugs als ungeeignet und sah in der langen Speicherdauer der Videodaten von einem Jahr einen eklatanten Verstoß gegen den Datenschutz. Dies war für das Gericht so gewichtig, dass das Recht des Arbeitgebers auf Gehör vor Gericht zurückstehen musste und der Videobeweis unberücksichtigt blieb.

BAG: Kein gravierender Verstoß, außerdem grobe Pflichtverletzung durch Beschäftigten

Das BAG sah den Verstoß gegen den Datenschutz nicht so gravierend, da die Videoüberwachung offen erfolgte und der Beschäftigte den Arbeitszeitbetrug vorsätzlich beging. Es sei dann irrelevant, dass die Videodaten so lange aufbewahrt worden seien. Eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung, wie das LAG annahm, konnte das BAG nicht erkennen.

Fazit

Das BAG bleibt seiner Linie treu. Bereits 2018 hatte es entscheiden, dass eine Speicherdauer von Videodaten von einem halben Jahr nicht dazu führt, dass man die Videodaten vor Gericht nicht verwenden darf. Damals ging es um Fehlbestände in Waren, die der Arbeitgeber durch Videoaufzeichnungen einem Mitarbeiter nachweisen konnte (wir berichteten).

Es sollte allerdings strikt getrennt werden zwischen Datenschutzrecht und Arbeitsrecht. Zwar mag man die Videodaten vor Gericht verwerten dürfen. Trotzdem führt eine zu lange Speicherdauer zu einem Datenschutzverstoß, der durch die Datenschutzaufsichtsbehörden mit Bußgeldern belegt werden kann. Eine ausführliche Betrachtung der Entscheidung des BAG werden wir vornehmen, wenn der vollständige Text verfügbar ist.