Der Einsatz von Bodycams in Deutschland durch die Polizei und auch anderes Sicherheitspersonal wie etwa bei der Bahn nimmt stetig zu. Die meisten dürften bereits einmal einen Polizisten mit dieser Ausstattung an einem Bahnhof oder auf einer Demonstration gesehen haben.
So sind zurzeit mehrere Bundesländer dabei, gesetzliche Grundlagen hierfür zu schaffen. Trotz der (neuen) Rechtslage bestehen jedoch nach wie vor Bedenken bei der Verwendung der kleinen Schulterkameras im öffentlichen Raum. Viele Unbeteiligte sehen sich durch die kleinen Kameras belästigt, wenn sie beispielsweise beim Kontrollgang der Polizei an einem Einsatzort oder am Hauptbahnhof kurzzeitig von der Kamera erfasst werden. Ebenso gibt es zahlreiche Fragen rund um die bevorzugten Anforderungen an die Technik der Bodycams. So greifen einige Behörden auf die umstrittene „Precording“-Funktion zurück, die rund 60 Sekunden vor Aktivierung der Kamera mitaufzeichnet und daher auch Geschehnisse vor Start der erkennbaren Aufnahme berührt. Andere Hersteller setzen auf die durchgängige Aufzeichnung in Dauerschleife, die sich dann aber nach einem bestimmten Zeitraum (z.B. nach 24 Stunden) immer wieder überschreibt. Letztlich gilt es aber auch zu klären, wer überhaupt den konkreten Zugriff auf das Bildmaterial haben darf und wo bzw. wie lange die Aufnahme aufbewahrt wird.
Sinn und Zweck der Bodycams
Neben alldem existiert aber noch die grundlegende Diskussion über den Sinn und Zweck der Bodycams. Sollen diese vor Angriffen auf Polizeibeamte abschrecken oder nur der späteren Aufklärung von Straftaten dienlich sein?
Während die Deutsche Bahn nach eigenen Angaben einen Rückgang der tätlichen Angriffe auf Mitarbeiter des Konzernes auf Grund der installierten Schulterkameras verzeichnete, kommt eine aktuelle Studie aus den USA zu einem anderen Ergebnis. Eine über mehrere Monate laufende Befragung von 2200 Polizisten in der Hauptstadt der USA habe ergeben, dass sich die Beamten mit der Ausstattung der Bodycams nicht anders im Dienst verhalten würden als ihre Kollegen ohne Schulterkameras. Die Wissenschaftler zogen abschließend das Fazit, dass sich diese Video-Ausstattung der Polizisten kaum spürbar auf deren Arbeit auswirken würde und deshalb der finanzielle und organisatorische Aufwand zu hinterfragen sei.
In der Bewertung der Studie führten sie als einen möglichen Erklärungsansatz für dieses Ergebnis an, dass die Polizisten in den USA auf Grund der üblicherweise mit einem griffbereiten Smartphone mit Kamerafunktion ausgerüstete Anwesenden ohnehin einer wachsamen Öffentlichkeit ausgesetzt seien. Fast überall würden die Menschen sofort mit Ihrem Handy den Polizeieinsatz filmen.
Dieser Gedanke lässt sich sicherlich nicht von der Hand weisen. Auch hierzulande sind Schaulustige wie auch Demonstrationsteilnehmer vermehrt mit Handys und Kameras „live“ dabei, wenn es zu Unfällen oder Auseinandersetzungen mit den Beamten kommt. So hatte die Hamburger Polizei sogar aktiv in der Öffentlichkeit dazu aufgerufen, Bild- und Videomaterial von den Krawallen am Rande des G20 Gipfels in der Hansestadt auf einem hierfür vorgesehenen Portal hochzuladen und damit für die behördeninterne Auswertung und Strafverfolgung zur Verfügung zu stellen. Später beklagte sie die „Online Hetzjagd“ durch die Medien als sogar Tageszeitungen auf „Verbrecherjagt“ gingen und mutmaßliche Verdächtige mit Fotos abbildeten.
Angesichts des technischen wie auch finanziellen Aufwands von rund 1000 Euro pro Gerät für diese Ausstattung der Schulterkameras dürften derartige Studienergebnisse den Kritikern Recht geben. Es sollten jedoch noch mehrere Pilotprojekte in Deutschland abgewartet werden, bevor eine abschließende Beurteilung erstellt wird.
André Fritzsche
9. November 2017 @ 13:17
Sehr geehrter Herr Conrad,
die Thematik zu beleuchten, bringt das Thema Einsatz von Body-Cams in Deutschland immer ein Stück weit voran. Denn, und das sollte bedacht werden, außerhalb Deutschlands ist der Einsatz seit Jahren gängig, u.a. auch im privaten Bereich.
Ein Studie aus den USA zu bemühen mag dazu passen, allerdings ist schon aus der Beschreibung dieser zu erkennen, dass es hier allein um eine Veränderung des Verhaltens der Polizisten selbst geht. Es geht nicht um das Verhalten gegenüber! Polizisten oder Bahnmitarbeitern in verbaler oder körperlicher Form. Grundsätzlich wird eben auch ein Stück weit Chancengleichheit hergestellt. Gerade im Security/Veranstaltungsschutzbereich sehen sich Unternehmen der Sicherheitsbranche einer Klagewelle von Personen ausgesetzt, welche oft mit eigenen Aufnahmen via Smartphone vermeidliche Schadensfälle zu belegen versuchen. Jenseits der politischen Stimmen und datenschutzrechtliche Diskussionen sehen die Mitarbeiter, Polizisten, etc. die Body-Cam als Mittel zum Eigenschutz.
MfG André Fritzsche
Conrad Conrad
9. November 2017 @ 14:04
Sehr geehrter Herr Fritzsche,
vielen Dank für Ihren Kommentar.
In der Tat haben Studien aus dem Ausland nur eine bedingte Aussagekraft, zumal die Fragestellung häufig schon die Richtung des Ergebnisses beeinflusst. Der Sinn und Zweck der Bodycams kann sicherlich von vielen unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden. Es gilt da zu differenzieren, ob diese Technik der Verhinderung oder der Aufdeckung von Straftaten dient, genauso ob sie Beweis über eine Straftat führen kann oder ggfs. das Material unter einem Beweisverwertungsverbot fällt usw. Die Frage, ob und inwiefern sie dem „Eigenschutz“ des Polizisten/Sicherheitspersonal dienen, ist nicht zu vermengen mit der Interesse, dadurch Straftaten zu verhindern oder besser verfolgen zu können. Dies sind unterschiedliche Zweckrichtungen und auch von den Gesetzen (StPO, StGB) anders zu behandeln, was aber zu einer ausufernden Diskussion führen würde.