Wie viel Schmerzensgeld kann ein Mordverdächtiger von Behörden verlangen, die gegen den Datenschutz verstoßen? Diese Frage hatte der EuGH zu klären.

Ermittlungsergebnisse mit Pikanterie

In der Slowakei hat es im Jahr 2018 einen Auftragsmord an einem Journalisten und seiner Verlobten gegeben. Zuvor hatte der Journalist über ein Korruptionsnetzwerk recherchiert. Ins Visier der Polizei geriet nach dem Mord ein slowakischer Geschäftsmann, der in einem späteren Prozess von dem Mordvorwurf freigesprochen wurde.

Während der Ermittlungen sicherte Europol auf Ersuchen slowakischer Behörden Daten auf zwei Mobiltelefonen, die mutmaßlich dem Geschäftsmann gehörten. Europol übermittelte den slowakischen Behörden eine Festplatte mit den gesicherten Daten und ihre Erkenntnisse aus der Auswertung der Daten. Unter den gesicherten Daten befanden sich auch intime Gespräche des Geschäftsmannes mit seiner Partnerin, welche verschriftlicht wurden.

Den Inhalt der intimen Gespräche veröffentlichte die slowakische Presse, der die Informationen zugespielt wurden. Der Geschäftsmann verklagte daraufhin Europol vor dem Europäischen Gericht (EuG) auf Schadensersatz in Höhe von 50.000 Euro. Er stützte seine Klage auf Art. 50 der Europol-Verordnung 2016/794 (Europol-VO), wonach jede Person, der wegen einer widerrechtlichen Datenverarbeitung ein Schaden entsteht, das Recht hat, von Europol oder von dem Mitgliedstaat, in dem der Schaden eingetreten ist, Schadensersatz zu fordern.

Vergleichbare Prüfung wie in der DSGVO

Er machte geltend, dass der Schaden durch die Weitergabe der verschriftlichten intimen Gespräche und von intimen Fotografien entstanden sei. Das EuG lehnte die Klage ab, da der Kläger nicht den Beweis eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen behaupteten Schaden und Verhalten von Europol erbracht habe. Der Geschäftsmann zog jedoch in die nächste Instanz – vor den EuGH.

Der EuGH gab dem Geschäftsmann in der Sache nun recht (Urteil vom 05.03.2024 – Az.: C-755/21 P), kürzte den Schadensersatzanspruch aber auf 2.000 Euro zusammen.

Damit ein Schadensersatzanspruch überhaupt im konkreten Fall bestehen kann, stellt der EuGH folgende Anforderungen (siehe Rn. 73, 74):

  • Eine widerrechtliche Datenverarbeitung im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Europol und einem Mitgliedstaat,
  • ein tatsächlich bestehender Schaden und
  • ein Kausalzusammenhang zwischen rechtswidrigem Verhalten und geltend gemachtem Schaden.

Diese Anforderungen decken sich mit denjenigen für Schadensersatz, die der EuGH im Rahmen der DSGVO aufgestellt hat.

Die erste Anforderung sah der EuGH als erwiesen an (Rn. 121 ff.), da die verschriftlichen Gespräche an Personen weitergegeben worden waren, die nicht befugt waren, davon Kenntnis zu nehmen, was in der Veröffentlichung in der slowakischen Presse gipfelte. Die Weitergabe von Fotografien sah der EuGH hingegen nicht als erwiesen an. Diese unbefugte Weitergabe sei ein Verstoß gegen die datenschutzrechtliche Verantwortung nach Art. 38 Abs. 4 bzw. gegen die datenschutzrechtlichen Grundsätze nach Art. 28 Abs. 1 a und f der Europol-VO.

Die zweite und dritte Anforderung bejahte der EuGH ebenfalls (Rn. 136). Die unbefugte Weitergabe der intimen Inhalte an unbefugte Personen und deren Veröffentlichung in der Presse haben seine Ehre und sein Ansehen beeinträchtigt (immaterieller Schaden). Diese Verletzung von Ansehen und Ehre sei nur dadurch entstanden, dass diese Daten Unbefugten und letztlich der Presse zugänglich gemacht wurden (Kausalzusammenhang zwischen Verhalten und Schaden).

Ob der Kläger den Anspruch gegen Europol oder die Slowakei als Mitgliedstaat, in dem der Schaden eingetreten ist, richtet, sah der EuGH als unproblematisch an. Denn Art. 50 Abs. 1 Europol-VO sehe eine gesamtschuldnerische Haftung vor und die betroffene Person müsse nicht nachweisen, wer die rechtswidrige Datenverarbeitung begangen habe.

Ziemlich kleines Schmerzensgeld

Blieb nur noch die Frage zu klären, in welcher Höhe der Schadensersatzanspruch besteht. Hier sah das Gericht für die Weitergabe von Gesprächen intimen Charakters ein Schmerzensgeld von 2.000 Euro als angemessen an. Damit war der Schaden, der der Geschäftsmann durch Ansehensverlust und Ehrverletzung entstanden war, ausgeglichen. Ob der EuGH die restlichen 48.000 Euro ebenfalls zugesprochen hätte, wenn die Weitergabe intimer Fotos erwiesen gewesen wäre, sagt das Urteil nicht. Leider führt das Gericht nicht weiter aus, wie es die Höhe ermittelt hat und welchen Anteil die nicht erwiesene Weitergabe intimer Fotos dabei hatte.

Quintessenz

Dafür, dass intime Details einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden sind, erscheint das zugesprochene Schmerzensgeld überraschend niedrig.

Schaut man sich Schmerzensgelder an, die hiesige Gerichte verhängt haben, so reichen diese von 120.000 Euro für die Veröffentlichung intimer Videos im Internet, über 1.000 Euro für den Falschversand von Beihilfebelegen bis zu 2.000 Euro für falsch versandte E-Mails mit Gesundheitsdaten.

Zieht man das Urteil des EuGH heran, so könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass die zugesprochenen Schmerzensgelder deutscher Gerichte zu hoch angesetzt sind.

Es wird sich zeigen, ob die hiesigen Gerichte nun zurückhaltender bei der Ausurteilung der Schmerzensgeldhöhe werden. Ob dies auch Einfluss auf die gerichtliche Überprüfung der Höhe von Bußgeldern hat, die von Behörden zur Abschreckung verhängt werden, ist dagegen wohl nicht zu erwarten, da Schmerzensgelder gerade nicht die Funktion einer Abschreckung haben sollen, sondern nur eine Ausgleichsfunktion.