Die Digitalisierung des Gesundheitswesens schreitet immer weiter voran. Als wichtiger Baustein bei der Digitalisierung gilt dabei auch die Einführung des E-Rezeptes.

Bereits zum 1. Januar 2022 wurde die Ausstellung des E-Rezeptes für alle Arztpraxen und Apotheken bundesweit verpflichtend eingeführt (wir berichteten). Dabei ist es die klare Zielsetzung, dazu beizutragen, die Abläufe in Arztpraxen zu vereinfachen und unnötige Papierausdrucke langfristig abzuschaffen.

Doch um diese Ziele – Vereinfachung der Abläufe und Ressourcenschonung – zu erreichen, musste das E-Rezept erstmal alltagstauglicher werden und dies soll nun nach Ankündigung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach seit dem 1. Juli 2023 der Fall sein. Denn das E-Rezept kann von Versicherten jetzt auch bequem in der Apotheke eingelöst werden, ohne dass hierfür, wie bisher erforderlich, die Installation einer App oder die Eingabe einer PIN erforderlich ist. Zum Einlösen des Rezeptes wird einfach die elektronische Gesundheitskarte (eGK) in das Kartenlesegerät der Apotheke eingesteckt. Die Mitarbeitenden in der Apotheke können sodann alle offenen Rezepte der versicherten Person im E-Rezept-Fachdienst der Telematikinfrastruktur abrufen und diese einlösen. Mehr über die Funktionsweise des E-Rezeptes erfahren Sie auf der Website www.das-e-rezept-fuer-deutschland.de und hier auf der Website des Bundesgesundheitsministeriums.

Doch weshalb hat dieser Schritt so lange auf sich warten lassen?

Nachdem sich bereits die Einführung des E-Rezeptes immer weiter verzögert hatte – zum einen wegen datenschutzrechtlicher Bedenken, zum anderen aufgrund von technischen Problemen in Apotheken und Arztpraxen – bestanden auch hinsichtlich der neuen Einlöse-Möglichkeit zunächst Bedenken seitens des Bundesdatenschutzbeauftragte (BfDI), Prof. Dr. Ulrich Kelber, und des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).

Kern der Problematik war dabei die mangelnde Sicherheit des Einlöse-Mediums. So verursacht die nach Einschätzung des BfDIgeplante Datenverarbeitung mit der zunächst von der gematik vorgelegten Umsetzung […] ein großes Risiko für die Rechte und Freiheiten aller Nutzerinnen und Nutzer des E‑Rezepts, bundesweit und bei allen Arztpraxen und Apotheken.“ Denn nach der zunächst vorgeschlagenen technischen Lösung war es möglich, dass über den E-Rezept-Fachdienst die Inhalte aller zentral vorliegenden E-Rezepte aller Versicherten mit dem Status „offen“ abgerufen werden können – nebst Namen, Anschrift, Geburtsdatum und auch die Medikation, welche Rückschlüsse auf Diagnosen zulässt. „Im Ergebnis könnten Angreifer mit einem Apotheken-Zugang zur TI (Apotheken-TI-ID) somit alle offenen E-Rezepte jeder Person, deren KVNR ihnen bekannt ist, abrufen.“, so die Einschätzung des BfDI. Die gegenüber dem BfDI und dem BSI gemachten Vorschläge zur Minderung des Problems verringerten „die Gefahren für die Versicherten nicht ausreichend“.

Dabei machte der BfDI außerdem deutlich, dass „Digitalisierung im Gesundheitssektor […] richtig umgesetzt werden [muss]“ und unzureichend gesicherten Lösungen weiterhin eine Absage erteilt werden wird.

In der Folge stiegen beide Partnerorganisationen – die Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein und die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe – aus dem Projekt zur Einführung des E-Rezeptes aus.

Einführung des neuen Einlöse-Mediums – Beseitigung aller Mängel?

Ob die vom BfDI und BSI geforderten Anpassungen beanstandungslos umgesetzt wurden, kann von Außenstehenden nicht beurteilt werden. Eine Äußerung des BfDI zu den geforderten Prozessanpassungen ist bislang ausgeblieben.

Fazit

Da der Abruf vorhandener E-Rezepte ohne Eingabe eines PIN möglich ist, besteht die Gefahr, dass eine entwendete oder verlorene eGK dazu genutzt wird, unberechtigt Rezepte einzulösen. Somit bleibt das E-Rezept in seiner jetzigen Form risikobehaftet.

Das Bundesministerium für Gesundheit äußert sich in ihren FAQ zum E-Rezept diesbezüglich wie folgt: „Da die E-Rezepte ohne PIN-Eingabe mit der eGK abrufbar sind, sollten Sie Ihre Karte im Falle des Verlusts möglichst zeitnah bei Ihrer Krankenkasse sperren lassen.“

Es scheint also, als würde diese Risiko zugunsten einer barrierearmen Lösung für die Versicherten in Kauf genommen werden. Eine aktuelle Äußerung seitens des BfDI zu dieser weiterhin bestehenden Sicherheitsthematik erfolgte bisher nicht. Es bleibt daher abzuwarten, ob Praxiserfahrungen die weitere Entwicklung des E-Rezeptes zukünftig ausbremsen wird.

Tipp:

Interessierte können sich über das zusätzliche Informationsangebot (Faktencheck) der gematik rund um das Thema Telematikinfrastruktur informieren.