Heise online zufolge sprechen sich die Verkehrsminister der Länder für eine „flächendeckende, tageszeitunabhängige Videoaufzeichnung in öffentlichen Verkehrsmitteln“ aus. Auf ihrer Frühjahrskonferenz am vergangenen Freitag sollen die Minister auch dafür geworben haben, die im öffentlichen Personenverkehr geltenden Datenschutzbestimmungen den Regelungen des Bundespolizeigesetzes (BPolG) anzupassen.

Welche Datenschutzbestimmungen gelten eigentlich im öffentlichen Personenverkehr?

Hier streiten gerade die Hannoversche Verkehrsbetriebe AG (üstra) mit der Landesbeauftragten für Datenschutz und Datensicherheit Niedersachsen vor Gericht. Die Datenschutzbeauftragte hatte eine Einstellung der Videoüberwachung in Bussen und Bahnen angeordnet. Das Verwaltungsgericht Hannover befand jedoch, dass die üstra als öffentliche Stelle nicht unter das BDSG falle, sondern das Niedersächsische Datenschutzgesetz Anwendung finden müsse und dieses sehe eine Untersagung datenschutzwidriger Verfahren durch die Aufsichtsbehörde nicht vor. Die Datenschutzbeauftragte hat nun Berufung eingelegt (wir berichteten).

Erläuterung

Im Hinblick auf die Speicherdauer von Videoaufnahmen gibt es unterschiedliche gesetzliche Grundlagen. So regelt § 27 Bundespolizeigesetz (BPolG) wann die Bundespolizei Videoaufnahmen einsetzen darf und wie lange diese gespeichert werden dürfen. Eine Speicherung von bis zu 30 Tagen ist demnach zulässig. Im Bundesdatenschutzgesetz hingegen ist in §6b Abs. 5 BDSG von einer unverzüglichen Löschung zu lesen: „Die Daten sind unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen.“ Aus diesem Paragraphen haben die Landesdatenschutzbeauftragten in ihrer Orientierungshilfe zur Videoüberwachung eine maximale Speicherdauer von 48 Stunden abgeleitet.

Ein Streit zwischen den Verkehrsministern und den Datenschutzbeauftragten der Länder und des Bundes scheint somit vorprogrammiert. Die einen sehen die Gefahr einer Totalüberwachung und die anderen möchten polizeiliche Ermittlungen vereinfachen. Vergessen werden sollte jedoch nicht, dass jede Art von Videoüberwachung grundsätzlich eine Abwägung zwischen den berechtigten Interessen des Überwachenden und dem von der Überwachung Betroffenen erfordert. Maßstab der Bewertung ist das informelle Selbstbestimmungsrecht als besondere Ausprägung des Persönlichkeitsrechts auf der einen und der Schutz des Eigentums oder der körperlichen Unversehrtheit auf der anderen Seite. Im öffentlichen Personenverkehr kommt in der Regel das sogenannte Blackbox-Verfahren zum Einsatz. Hierbei werden die Aufnahmen mit Datum und Uhrzeit direkt an Ort und Stelle aufgezeichnet. Eine zentrale Datensammlung in einem Großrechner gibt es nicht. Die Aufzeichnungen erfolgt i.d.R. im 24 Stunden Rhythmus und ab der 25. Stunde wird das Filmmaterial einfach wieder überschrieben. Bei einem Zwischenfall müssen die Aufzeichnungen manuell vor Ort gesichert werden. Dies ist dann nur einem kleinen, fest definierten Kreis möglich. Der Fahrgast kann sich so einerseits sicher sein, dass Straftaten erkannt und dadurch geahndet werden können, und sich andererseits davon ausgehen, dass Aufzeichnungen von ihm durch den komplexen Prozess des Datenzugriffs nicht zur Kenntnis Dritter gelangen, wenn es im Aufzeichnungszeitpunkt keine auswertungsrelevanten Vorkommnisse gab.

Sollten sich die Verkehrsminister mit ihrem Wunsch nach einer Anpassung der datenschutzrechtlichen Regelungen an das BPolG durchsetzen, ist der Einsatz des Blackbox-Verfahrens kaum mehr möglich bzw. auch unerwünscht. In diesem Fall dürfte auf eine Speicherung auf Großrechnern umgeschwenkt werden (müssen).