Falsch geparkte Fahrzeuge auf der Bus- und Umweltspur oder im Haltestellenbereich? Sich durch den Stau kämpfende Busse und daraus resultierende genervte Fahrgäste? Gegen solche Verkehrsbehinderungen und Ärgernisse setzt die Stadt Wiesbaden nun Busse mit Frontkamera als Verstärkung ein. Hierfür sollen zunächst an einigen und bis Ende 2024 an ca. 30 Linienbussen des Wiesbadener Unternehmens ESWE Verkehrsgesellschaft mbH (kurz ESWE Verkehr) Kameras angebracht werden, um die Falschparker bildlich erfassen zu können. Dies soll dann später auch zu einer Beschleunigung des Busverkehrs in der hessischen Landeshauptstadt führen, insbesondere auch wegen der Abschreckungswirkung.

Fotobeweis vs. Datenschutz

Aber wie sieht es hier mit dem Datenschutz aus? Gerade die Thematik „Kameras“ und „Überwachung des öffentlichen Verkehrs“ sind bekanntermaßen heiße Eisen.

Die an den Bussen befestigten Frontkameras sollen durch das Fahrpersonal per Knopfdruck aktiviert werden, sobald dieses ein falsch abgestelltes Fahrzeug sichtet. Hierbei soll eine Fotoserie erstellt werden, die den genauen Standort (GPS-Daten) und die Uhrzeit der Aufnahme ausweisen soll. Die erstellten Fotos würden beim Erreichen des Busses auf dem Betriebshof in ein geschlossenes System überführt werden und dort auch nur durch die Verkehrssteuerung einsehbar sein, wie bspw. heise online berichtete. Unbeteiligte Personen und Fahrzeuge würden unkenntlich gemacht werden. ESWE Verkehr soll die Aufnahmen anschließend manuell prüfen und an die zuständigen Verkehrsbehörden zur Entscheidung über die Einleitung eines Bußgeldverfahrens weiterleiten. Im Rahmen der mehrjährigen Testphase seien auch die Wiesbadener Straßenverkehrsbehörde und die Wiesbadener Verkehrspolizei eingebunden – die datenschutzrechtlichen Vorgaben würde man einhalten.

Was im Hinblick auf einen störungsfreien Verkehr und eine effektive Verfolgung von Falschparkern sinnvoll erscheint, lässt aus datenschutzrechtlicher Sicht einige Fragen offen:

Auf welche Rechtsgrundlage stützt sich das privatwirtschaftliche Unternehmen ESWE Verkehr bei der Erstellung von Fotoserien, die (zumindest vor erster Prüfung und Unkenntlichmachung) auch öffentlich zugängliche Plätze und ggf. unbeteiligte Personen erfassen?

Sofern es hier um die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten geht, wäre die Zuständigkeit der ESWE Verkehr bereits fraglich, da die §§ 35 ff. OWiG diese bei den Verwaltungsbehörden sehen. Eine Rechtsgrundlage ließe sich ggf. aus einer Art Dienstleistung (Stichwort: Auftragsverarbeitung) für die zuständige Verwaltungsbehörde konstruieren, worauf in den eingesehenen Meldungen zu den neuen Frontkameras jedoch nicht eingegangen wird. Gegenüber dem SWR wurde auch erklärt, dass vor dem Einsatz der Frontkameras mit handschriftlichen Notizen und Anzeigen durch die Busfahrer als Privatperson gegen Falschparker vorgegangen wurde. Diese Thematik hatte das VG Ansbach im Urteil vom 02.11.2022 (Az. AN 14 K 22.00468) aufgegriffen: Das Gericht urteilte, dass Aufnahmen von Lichtbildern verbotswidrig parkender Fahrzeuge und deren Weiterleitung an die Polizeiinspektion keine rechtwidrige Datenverarbeitung nach den Vorgaben der DSGVO darstellen würden (wir berichteten). Begründet wurde dies mit dem festgestellten berechtigten Interesse der anzeigenden Person daran,

„[…] eine Ordnungswidrigkeit auch unter Übermittlung eines Lichtbildes an die Polizei anzeigen zu können.“ (Urteil des VG Ansbach, Rn. 73 und siehe auch Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO i.V.m. § 46 OWiG i.V.m. § 158 Abs. 1 StPO). Gleichzeitig betonte das Gericht aber auch, „[…] dass bei der Anfertigung solcher Lichtbilder datenschutzrechtliche Verstöße, etwa durch die Ablichtung anderer Personen oder von Kennzeichen unbeteiligter Fahrzeuge, begangen werden können, da diesbezüglich kein berechtigtes Interesse an der Verarbeitung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO bestehen dürfte. Insoweit ist auch bei der Übermittlung von Aufnahmen verbotswidrig parkender Fahrzeuge die Beachtung des Grundsatzes der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c DS-GVO) geboten.“ (Urteil des VG Ansbach, Rn. 88)

Ob sich auch die ESWE Verkehr gleichermaßen auf das im Urteil beschriebene berechtigte Interesse stützen könnte, obliegt einer strafprozessrechtlichen Prüfung (z. B. auch wegen der Bewertung der Anwendbarkeit des sog. Jedermannsrecht, § 158 Abs. 1 StPO). Sofern die ESWE Verkehr sich als Verantwortliche der Datenverarbeitung auf eine Rechtsgrundlage stützt, müssten sie darüber jedenfalls transparent informieren (Artt. 13, 14 DSGVO). Ob dies tatsächlich geschieht, ist der aktuell nicht ersichtlich.

Unter Berücksichtigung der weiteren Datenschutzgrundsätze werden – zugegebenermaßen – einige Maßnahmen genannt, die dem Grundsatz der Datenminimierung gerecht werden, wie etwa das Erstellen von Fotoserien anstelle von Videoaufnahmen, das Kameraauslösen im Bedarfsfall und die Zugriffsbeschränkung innerhalb des Unternehmens.

Aber wie sieht es mit der Datenspeicherung aus?

Werden die Fotoserien bei dem Verkehrsunternehmen gespeichert und wenn ja: Wie lange und wo? Wie sieht es mit besonderen Kategorien personenbezogener Daten (Art. 9 Abs. 1 DSGVO) aus, wenn bspw. an dem falschparkenden Auto ein Hinweis auf eine Person mit Behinderung angebracht ist oder gerade Personen mit eindeutigen körperlichen Einschränkungen an der Straßenseite stehen und durchs Bild laufen? Hierbei müssten die strengen Voraussetzungen des Art. 9 DSGVO beachtet werden.

Es bleibt abzuwarten, ob zu diesen datenschutzrechtlichen Aspekten Details durch das Verkehrsunternehmen selbst veröffentlicht werden oder ob und wie sich der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HBDI) zu dieser Datenverarbeitung äußern wird.

Wir halten Sie über dieses Thema in unserem Blog auf dem Laufenden.